Über die Ergebnisse der Enquete des Menschenrechtsbeirates in Kooperation mit der Islamischen Religionsgemeinde Steiermark und dem Islamischen Kulturzentrum Graz über „Muslim:in sein in Graz“
mit Vertreter:innen des Menschenrechtsbeirates, der Islamischen Religionsgemeinde Steiermark, des Islamischen Kulturzentrums Graz, der muslimischen Zivilgesellschaft und mit Stadtrat Krotzer
Der Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz veranstaltete auf Initiative seiner Arbeitsgruppe über Menschenrechte und Integration (Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Benedek) am 14. Mai 2022 eine ganztägige Enquete zum Thema „Muslim:in sein in Graz“. Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit der Islamischen Religionsgemeinde in der Steiermark und dem Islamischen Kulturzentrum Graz, Vertreter:innen der islamischen Zivilgesellschaft, dem MigrantInnenbeirat sowie dem Projekt ComUnitySpirit des Afro-Asiatischen Instituts vorbereitet. Die ca. 50 Teilnehmer:innen, die verschiedene Communities und Akteur:innen repäsentierten, tauschten sich in den Räumlichkeiten des Afro-Asiatischen Instituts auf Augenhöhe zu den Themenbereichen Bildung und Kultur, Religionsfreiheit, Partizipation und Medien, Arbeiten, Wohnen und Gesundheit in Graz aus.
Ziel der Enquete war es ein besseres Verständnis der Situation von Muslim:innen in Graz, die Stärkung des wechselseitigen Vertrauens und der gemeinsamen Identität als Grazer:innen zu erlangen.
Die Stadt Graz war durch den zuständigen Stadtrat Mag. Robert Krotzer (KPÖ), Dr. Wolfgang Wehap als Vertreter des Amts der Bürgermeisterin im Menschenrechtsbeirat, Mag. Kavita Sandhu BA MA, Leiterin des Integrationsreferats und zahlreiche Mitglieder des Menschenrechtsbeirates vertreten. Darunter waren auch OLG-Präsident Mag. Michael Schwanda und Mitglieder des Grazer Gemeinderates. Der Bildungssektor war durch Hofrat Dr. Zollneritsch repräsentiert. Unter den 50 Teilnehmer:innen waren auch Vertreter des AMS, von Frauenorganisationen und anderen relevanten NGOs. Die Islamische Religionsgemeinde Steiermark war durch den Stv. Vorsitzenden Mehmet Celebi, BEd, vertreten, während das Islamische Kulturzentrum durch Imam Fikret Fazlic sowie eine Reihe von Gemeindemitgliedern mitwirkte. Ebenso anwesend waren Vertreter:innen der muslimischen Zivilgesellschaft sowie der muslimischen Jugendarbeit.
Gemäß der Methode der Enquete schilderten zuerst muslimische Bürger:innen in zwei Panels ihre Erfahrungen sowie Perspektiven zu den menschenrechtlichen Themenbereichen Bildung und Kultur, Religionsfreiheit, Partizipation und Medien, Arbeiten, Wohnen und Gesundheit in Graz. Daraufhin wurden diese im Hinblick auf die zentralen Aussagen der Panelinputs an sechs Dialogtischen gemeinsam diskutiert und Empfehlungen für den Menschenrechtsbeirat an die Stadt Graz zur Behebung festgestellter Probleme formuliert. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und am 8.6.2022 in einer Pressekonferenz öffentlich vorgestellt.
Im Bereich von Bildung und Kultur wurden die Bedeutung von gleichem Zugang, des inter-religiösen Lernens sowie die Notwendigkeit nach besserer Durchmischung der Schulen festgestellt. Es wurde von Diskriminierungs- und Segregationserfahrungen und der Betroffenheit des antimuslimischen Rassismus berichtet. Die wichtigsten Empfehlungen betrafen eine Sensibilisierungsarbeit des Lehrpersonals hinsichtlich des antimuslimischen Rassismus, die Berücksichtigung der islamischen Festtage in Bezug auf die Schul- und Unterrichtsplanung und eine bessere Durchmischung der Schulen im Sinne der Chancengleichheit. Hijab (Kopftuch) und religiöse Praktiken, wie Fasten oder das Verrichten des rituellen Gebets, sollten im Bildungsbereich als religiöse Bedürfnisse von Schüler:innen und Lehrer:innen akzeptiert werden.
Im Bereich Religionsfreiheit ging es um fehlende Gleichbehandlung der Religionen bei religiöser Betreuung in Schulen, Gefängnissen oder Krankenhäusern. Die Religionsausübung ist keine Frage der Integration. Es bestehen Erfahrungen eines antimuslimischen Rassismus sowie eines Generalverdachts bei öffentlicher Religionsausübung. Die wichtigsten Empfehlungen betrafen eine Vorbildfunktion der Stadt Graz etwa durch die Bereitstellung von Gebetsräumen im öffentlichen Raum und die Anerkennung islamischer Feiertage, gleicher Förderungen und Anerkennung des Ehrenamtes im muslimischen Kontext, Gleichbehandlung bei der Seelsorge etwa in Strafanstalten, und generell der Anerkennung einer muslimischen österreichischen Identität; Ein Zeichen wäre die Gratulation zu muslimischen Feiertagen auf Medienplattformen der Stadt Graz; für Anliegen der muslimischen Gemeinden soll, wie bei anderen Religionen, das Amt der Bürgermeisterin zuständig sein.
Im Bereich Partizipation und Medien sehen sich Muslim:innen unterrepräsentiert und als Opfer von Einschüchterung durch Teile der Politik (Operation Luxor, Islamlandkarte, etc.); politische Partizipation sowie das Ehrenamt im muslimischen Kontext werden oft negativ gesehen, islamische Vereine kriminalisiert, was einen Generalverdacht befördert, der manchmal auch von Medien transportiert wird, die differenzierter berichten sollten; Wichtigste Empfehlungen sind eine Strategie der Stadt gegen anti-muslimischen Rassismus, die Förderung eines gleichberechtigten Zusammenlebens und einer besseren Sichtbarkeit in den Medien; Die medialen Kanäle der Stadt sollen das muslimische Leben in der Stadt stärker berücksichtigen; Die Bereitschaft seitens der muslimischen Institutionen und Zivilbevölkerung daran mitzuwirken ist deutlich kommuniziert worden.
Im Bereich Arbeiten in Graz wird der Hijab (Kopftuch) als Hindernis für die Geichbehandlung muslimischer Frauen erfahren, geschlechtsspezifische Diskriminierungen festgestellt, Chancengleichheit ist nicht immer gewährleistet. Die wichtigsten Empfehlungen betreffen eine stärkere Sichtbarmachung der Muslim:innen im öffentlichen Dienst; das Haus Graz soll Vorbildfunktion für die aktive Umsetzung der Religionsfreiheit haben; Unternehmen sollten Diversitäts- und Antirassismusworkshops bzw. Coachings durchführen, Gebetsmöglichkeiten in Pausen angeboten und islamische Feiertage berücksichtigt werden.
Im Bereich Wohnen gibt es Diskriminierungserfahrungen; Wohnungen sind oft nicht leistbar und es gibt zu wenig Durchmischung. Positiv ist die Rücknahme der Fünf-Jahresfrist. Wichtigste Empfehlungen: die Stadtplanung soll die Wohnplanung und Vergabe sowie den dazugehörigen öffentlichen Raum diversitätsgerechter gestalten, ein/e Inklusionsbeauftragte:r für Wohnen könnte eingerichtet werden, Gemeindewohnungen sollten zwecks besserer Durchmischung im ganzen Stadtgebiet errichtet werden.
Im Bereich Gesundheit wird der Wert muslimischer Seelsorge für die körperliche Gesundheit zu wenig beachtet; Es besteht ein Mangel an interreligiöser Kompetenz, muslimische Patient:innen werden nicht immer auf Augenhöhe behandelt, Kommunikationsprobleme bestehen. Wichtigste Empfehlungen: muslimische Seelsorge auf Augenhöhe ermöglichen, stärkere Beachtung muslimischer Pietätsregelungen zur Totenwürde, Sensibilisierungstrainings für das Personal, das mehr Diversität aufweisen sollte, mehrsprachige Informationen, auch über Rechte und Beschwerdemöglichkeiten, Andachtsräume auch für Muslim:innen, Ausbau des Dolmetschpools.
Weitere festgestellte Probleme betrafen etwa die Situation von in Österreich aufgewachsenen muslimischen Jugendlichen, die sich nicht als Gegenstand von Integration sehen und auf gleichberechtigter Basis mitgestalten wollen.
Von Seiten der Stadt Graz erklärte Stadtrat Mag. Robert Krotzer (KPÖ): „Wir sind bestrebt, gute Rahmenbedingungen für eine integrative Gesellschaft zu schaffen und wollen uns für ein gutes und vielfältiges Zusammenleben engagieren. Mit den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats werden wir uns daher gerne auseinandersetzen. Wir wollen uns mit den Anliegen beschäftigen, um zu einem besseren Verständnis der Situation von Muslim:innen in Graz zu gelangen.“
Nach allgemeiner Auffassung der Teilnehmer:innen hat die Enquete zu einem besseren Verständnis der Situation der Muslim:innen in Graz beigetragen. Sie bildete damit einen wichtigen ersten Schritt, dem weitere folgen sollen. Neben der Stadt Graz sind alle gesellschaftlichen Akteur:innen, darunter auch die Medien aufgerufen, ihren Beitrag für ein besseres Miteinander zwischen Mehrheitsgesellschaft und der muslimischen Institutionen und Zivilbevölkerung zu leisten, die ihrerseits bereit sind sich aktiver einzubringen.
Rückfragehinweis:
Prof. Dr. Wolfgang Benedek
Tel.: 0664 3920059
Email: wolfgang.benedek@uni-graz.at
Lisa Weichsler, BA MA
Tel.: 0676 87423309
Email: l.weichsler@aai-graz.at
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